Fallschirmspringen als Rollstuhlfahrer: Andersson erfüllt sich Lebenstraum

Ein Fallschirmsprung aus 4.000 Metern Höhe: Rollstuhltischtennisspieler Henrik Andersson beweist sich als Extremsportler und schildert seine Erlebnisse.

Alle Fotos (c) Ibro Kraaijeveld

Eigentlich fühlt sich Para-Tischtennis-Newcomer Henrik Andersson in einer Höhe von 76 Zentimetern am wohlsten: So hoch ist die Tischtennisplatte, auf der er beim ÖBSV-Cup in Stockerau im Oktober 2019 sein Einzel-Debüt gegeben hat. Für einen besonderen Adrenalinkick hat sich der Rollstuhlfahrer, der für den BSV Weißer Hof antritt und von Para-Tischtennis-Legende Doris Mader trainiert wird, 4.000 Meter höher begeben. ‚Schuld‘ ist das Christkind: "Fallschirmspringen war schon immer ein Lebenstraum von mir. Letzte Weihnachten habe ich einen Gutschein dafür erhalten. Jetzt konnte ich diesen endlich einlösen."

Der 23-jährige, der seit drei Jahren im Rollstuhl sitzt, hat vorab alle nötigen Informationen eingeholt: "Ich habe beim Paraclub Wr. Neustadt angerufen, da ich nicht wusste, ob ich als Rollstuhlfahrer überhaupt Fallschirmspringen kann. Die Veranstalter haben mich dann dazu eingeladen, das Equipment anzuprobieren. Außerdem habe ich meine Ärztin konsultiert: Glücklicherweise gab es keine Einwände gegen mein Vorhaben."

Eine elementare Frage stellte sich jedoch: Wie landet ein Mensch mit Beinbehinderung? "Meine Knie wurden mit einem Gurt zusammengebunden, um die Beine zu stabilisieren. Darauf war eine Schnur befestigt, die mein Tandemmaster und ich kurz vor der Landung hochgezogen haben. So wurden meine Beine abgewinkelt und es war gesichert, dass zuerst mein Tandemmaster mit seinen Beinen am Boden aufkommt und wir sicher landen können", schildert der junge Wiener.

Gut geplante Vorbereitungen auf ein unvergessliches Erlebnis.

Nachdem zwei Termine aufgrund von Schlechtwetter abgesagt werden mussten, klappte es beim dritten Versuch endlich mit dem Adrenalin-Kick. Andersson: "Die Vorfreude war so stark, dass für Nervosität in meiner Gefühlswelt zunächst kein Platz war. Als wir am Gelände angekommen sind, ist eine angenehme Anspannung in mir hochgestiegen. Mein Bruder, meine Cousine und eine Freundin sind ebenfalls gesprungen, dadurch ist ein tolles gemeinschaftliches Gefühl entstanden."

Nach dem Ausfüllen der Formulare, dem Angurten mit Hilfe der Profis, sowie einer Einführung in die Materie des Fallschirmspringens, ging es mit einem kleinen Flieger in die Höhe. Der Para-Tischtennisspieler erhielt einen besonderen Platz: "Ich bin gleich ganz vorne bei der Tür gesessen, weil ich als Erster springen sollte. Als der Flieger startete, kam ein schönes Kribbeln im ganzen Körper und ich wusste, jetzt geht es endlich los."

44 Sekunden freier Fall: Henrik Andersson ermöglicht sich einen Lebenstraum.

"Der Flug dauerte etwa 20 Minuten. Mein Tandemmaster hatte einen Höhenmesser mit dabei und zeigte mir, dass wir 4.000 Meter erreicht hatten. Dann öffnete er die Schiebetüre und wir rutschen am Boden nach vorne bis meine Beine plötzlich in der Luft aus dem Flieger hingen. Das war ein klasse Gefühl. Dein innerer Instinkt will dich vom Sprung abhalten, du fragst dich: ‚Springe ich jetzt wirklich aus einem Flugzeug? Das spricht doch gegen jegliche Vernunft.‘ Dann hat er sich schon nach vorne gelehnt und wir sind aus dem Flieger gefallen. Man kommt sich vor wie in einem James Bond Film", so Andersson.

Den Moment des freien Falls wird der Wiener niemals vergessen. "Es war ein großartiges Gefühl. Nach 44 Sekunden hat sich der Fallschirm ausgeklappt und ich konnte die Welt betrachten, wie ich sie noch nie gesehen habe. Während des Gleitens durch die Luft konnte ich den atemberaubenden Ausblick in Ruhe erleben. Ich habe jeden Moment genossen, auch die Landung hat perfekt geklappt. Als ich auf der Wiese gesessen bin, habe ich immer noch das Adrenalin in meinen Adern gespürt."

Die akribisch geplante Landung klappte perfekt.

Die Reaktionen aus dem Umfeld des Para-Tischtennisspielers zum Sprung waren großteils positiv, aber auch überrascht: „Ein paar Leute haben mich gefragt, ob ich alle Tassen im Schrank habe, weil ich als Rollstuhlfahrer Fallschirmspringen gehe. Ich wollte aber zeigen, dass es möglich ist und mit der Aktion anderen Menschen, auch jenen mit Behinderung, Lust auf diese tolle Sportart machen."

Persönlich bedeutet der Fallschirmsprung für Andersson nicht nur einen erfüllten Lebenstraum, sondern auch eine persönliche Weiterentwicklung. "Man lernt beim Fallschirmspringen, seine Angst zu überwinden. Wenn man so etwas erlebt, dann gibt es einem das Gefühl, dass man alles schaffen kann. Es war eine geile Erfahrung, die ich jedem weiterempfehlen kann. Egal wie alt, groß oder schwer jemand ist, dieses spannende Abenteuer sollte jeder erleben. Einmal komplett frei zu sein und wie ein Vogel zu fliegen, ist ein unbeschreibliches Gefühl. "Für Andersson steht fest: Fortsetzung folgt. "Es wird sicherlich nicht bei einem Sprung bleiben, ich möchte dieses unglaubliche Erlebnis irgendwann wiederholen".

Website Henrik Andersson
BSV Weißer Hof
Paraclub Wiener Neustadt