Du musst das Wasser spüren

Mit Trainer Adi Gschwandtner bildet Nachwuchsschwimmerin Janina Falk ein kongeniales Duo. Ihr Vertrauen zueinander ist die Grundlage für schnelle Zeiten im Wasser.

Janina Falk mit Adi Gschwandtner beim Training in der Südstadt. Die tollen Bilder stammen alle von (c) Markus Frühmann.

De Schwimmhalle im Campus des BSFZ Südstadt ist gut besucht. Auf einer Bahn des Beckens schwimmt Janina Falk. Ihr Trainer Adi Gschwandtner steht an der Längsseite. Janina blickt kurz zu ihm. Adi macht zwei unscheinbare Bewegungen mit Kopf und Schulter. Janina weiß, was das heißt. Ihre Rückenschwimmtechnik ist nicht optimal. Sie muss den Kopf mehr überstrecken und die Armbewegung runder ausführen. 

Nicht gesucht und trotzdem gefunden

Seit Herbst 2019 trainiert Adi Gschwandtner Janina Falk. Was zwischen den beiden in dieser Zeit entstanden ist: Vertrauen und ein intuitives Verständnis füreinander. „Nicht gesucht und trotzdem gefunden“, so nennt das Adi. Für Janina ist die Zusammenarbeit mit Adi ein Umbruch auf allen Linien. Bis Adi da war, reiste sie fünf Jahre mit ihren Eltern Gottfried und Heidemarie zu den Wettkämpfen. Bis Adi das Training übernahm, war sie in ihrer alten Trainingsgruppe eine von zehn Schwimmerinnen. Jetzt hat sie zusätzlich mehrmals wöchentlich Individualtraining mit Adi, fliegt und fährt oft mit ihm zu den Events.

„Für mich war das gar keine so große Umstellung. Es war auch schön, mal ohne meine Eltern zu Wettkämpfen zu fahren. Da kommandiert mich niemand herum“, so Janina zur neuen Situation. Gleichzeitig weiß sie aber, dass niemand sie so gut kennt wie ihre Eltern, niemand so gut auf ihre mentale Behinderung eingehen kann wie ihr Vater. Janina: „Zwei Wochen Paralympcis ohne meinen Vater? Kann ich mir nicht vorstellen!“ 

Technik statt Tempo

„Im Sommer 2019 hat mich Maria Sarma vom ÖBSV kontaktiert und mir erzählt, dass Janina einen Trainer braucht. Ich dachte mir, warum nicht, auch wenn ich bis dahin keine Erfahrung im Training mit mental behinderten Menschen hatte“, so Gschwandtner. „Die Chemie zwischen uns stimmte von Anfang an. Auch mit ihren Eltern verstehe ich mich sehr gut, was ebenfalls sehr wichtig ist.“ 

Der 51-jährige Niederösterreicher ist seit 15 Jahren im Schwimmsport tätig. Lehrwart, Trainer-, dann Spezialtrainerausbildung. Er kommt also aus der Didaktik und nicht der Aktiven-Ecke. Als Adi mit Janina zu trainieren beginnt, ist sie bereits schnell. Oft aber zu schnell, vor allem im Training. Sie gleitet nicht durchs Wasser, sie kämpft dagegen an. „Schwimmerinnen und Schwimmer müssen wissen, wo sie durch Verdrängung Tempo machen, wann sie durch wenig Widerstand Kraft sparen können“, erklärt Gschwandtner. 

Das Individualtraining mit Janina richtet Adi deshalb ganz auf die Verbesserung ihrer Technik aus. Janina krault mit Tennisbällen in den Händen. Dadurch spürt sie den Widerstand des Wasser auf den Armen mehr. Sie schwimmt Delphin, aber am Rücken, Rücken nur mit einer Hand. Janina und Adi arbeiten auch im mentalen Bereich zusam-men.

Aus Janinas Glaubenssatz „Ich kann das nicht“ wird „Ich kann das!“

„Beim Training mit Adi war vieles neu und ungewohnt. Anfangs hab ich mich schon gefragt, was das soll, weil ich im Wettkampf ja nicht so schwimme! Aber ich spüre das Wasser jetzt viel mehr“, erzählt Janina. Durch das Techniktraining wird sie schneller. Und schneller. Ihre persönlichen Bestzeiten pur-zeln, sie gewinnt einen Wettkampf nach dem anderen. „Da hat sie mir dann geglaubt und nicht mehr alles hinterfragt“, so Gschwandtner. Der aber weiß, dass das Umsetzen der besseren Techniken auf allen Lagen in Geschwindigkeit seine Zeit braucht. Gschwandtner: „Wir sind erst am Anfang.“

Wettkampfsau

Im März, nach einem halben Jahr gemeinsamen Trainings, der Vorbereitung auf die EM in Portugal und mögliche Paralympische Spiele in Tokio, dann das Corona-Dilemma. Gschwandtner: „Janina ist eine Wettkampfsau, das muss man schon so sagen. Sie ist im Training immer voll dabei, aber beim direkten Duell im Wasser mit ihren Konkurrentinnen ist sie extrem motiviert, holt nochmals ein paar Prozent aus sich raus.“

Keine optimalen Vorraussetzungen also für eine Leistungssteigerung auf lange Sicht. Was sich aber im April auftut: Janina und Adi können endlich, so wie der Rest des ÖBSV-Schwimmteams, im 50-Meter-Becken der Südstadt trainieren. Neben den Schwimm-Stars des österreichischen Nationalteams. Das Duo Falk-Gschwandtner spürt: Okay, die wollen nach Tokio, wir wollen nach Tokio, die finden super, was wir tun, wir sind nicht irgendwer und müssen uns nicht kleinmachen. Das und der Umstand, dass zumindest der eine oder andere Wettkampf stattfindet, hält die Motivation und die Freude am Training hoch. 

Und das braucht es im Spitzensport, genauso wie Ziele. Für Falk und Gschwandtner soll sich das intensive Training spätestens 2021 bezahlt machen. Gschwandtner: „Auch wenn wir nicht wissen, ob die EM im Frühjahr 2021 und dann Tokio 2020 im Herbst 2021 über die Bühne gehen werden – wir arbeiten Woche für Woche daran, dort an den Start zu gehen und schnell zu schwimmen.“ Janina sieht die Sache, trotz ihres Ehrgeizes, lockerer: „Ich denke nicht so langfristig, mehr von Wettkampf zu Wettkampf. Dort will ich immer das Beste geben.“

Steckbrief
Janina Falk kommt am 5. Februar 2003 mit einer mentalen Behinderung zur Welt. Als Kind ist sie hyperaktiv. Die Eltern Gottfried und Heidemarie sehen schnell, das Mädchen muss seine Energie abbauen können. Sie versucht sich im Tanz und im Reiten. Im Alter von acht Jahren steht aber für sie fest: „Schwimmen ist mein Sport!“ Seitdem trainiert Janina auf ihr großes Ziel, die Paralympics, hin.
janina-falk.at

Die Geschichte ist aus dem ÖBSV Jahresbericht 2020