Andreas Ernhofer: Die Freude am Gewinnen

Der Para-Schwimmer Andreas Ernhofer erreichte mit seiner Paralympics-Teilnahme in Tokio eines seiner Lebensziele. Wie gelingt es ihm, bei den wichtigsten Wettkämpfen seine beste Leistung abzurufen?

Interview: Sebastian Reiter
Fotos: Markus Frühmann

ÖBSV: Hallo Andreas! Auf der von dir selbst gestalteten Homepage steht direkt unter deinem Namen: „Motivation | Mindset | Erfolg“. Was bedeutet das für dich?

Ernhofer: Das sind meine drei Keywords, die mich antreiben in meinem Leben. Nicht nur im Sport, aber im Sport natürlich am meisten. Ich versuche das auch im Privatleben einzubauen, weil ich vor allem nach meinem Unfall gemerkt habe, was eigentlich mit Mentaltraining alles möglich ist, und dass der Kopf als Schaltzentrale der Schlüsselpunkt ist, um zum Erfolg zu kommen.

Und das mentale Training ist dein Erfolgsrezept?

Ja. Das Training besteht aus verschiedenen Säulen. Das ist zum Beispiel das Krafttraining oder bei mir als Schwimmer natürlich die Zeit im Wasser. Aber für mich ist es so, dass das Mentaltraining einen gleich hohen Stellenwert hat. Ich würde auf jeden Fall sagen, dass die mentale Stärke meine Geheimwaffe ist.

Dein erstes Keyword ist „Motivation“. Tust du dir leicht für das tägliche Training Motivation zu finden?

Das ist sehr unterschiedlich. Wenn ich jetzt sagen würde, ich tu mir leicht, dann wäre das gelogen. Was wichtig ist: Ziele zu setzen und diese zu verfolgen. Gerade wenn es einmal schwer ist sich zu motivieren, hält man sich das Ziel dann vor Augen, und warum man das alles auf sich nimmt. Und was ich sogar noch wichtiger finde, ist zu reflektieren: Was habe ich durch meine Arbeit schon alles erreicht? Und diese Momente dann noch einmal durchleben. Ich habe zum Beispiel verschiedene Siegerehrungen, an die ich mich gerne zurückerinnere und die mich dann motivieren.

In einem anderen Interview hast du einmal gesagt: „Sich beim Training an seine Grenzen zu bringen, das ist nicht nur Spaß, das ist auch Qual.“ Warum machst du es dann trotzdem?

Es sind diese wenigen Momente, in denen man Erfolg hat, wenn man sein Ziel erreicht. Da ist jeder Tag Qual sofort vergessen, und es ist einfach nur wunderschön. Das war bei mir bei den Paralympics so, als ich den Final-Einzug geschafft habe und im Finale an den Start gehen durfte. Das war so geil, das kann man einfach nicht beschreiben, das muss man erleben. Das war auf jeden Fall die Arbeit der letzten Jahre wert. Die vielen Stunden Schweiß, Tränen und alles, was da drinnen steckt. Das ist viel mehr als diese 50 Meter, die ich dort schwimme. Ich werde es auch die nächsten drei Jahre wieder machen für die nächsten Paralympics. Es zahlt sich aus. Das klingt so blöd für diese paar Sekunden, die man da dabei ist, aber es ist es einfach wert.

Du arbeitest im Bereich des Mentaltrainings mit deiner Mutter zusammen, sie ist Sportpsychologin. Intensivierst du dein mentales Training vor großen Wettkämpfen?

Dazu ein lustiges Beispiel: Bei einem meiner ersten Großevents bin ich zwei Wochen vorher auf meine Mama zugekommen und habe zu ihr gesagt: „Mama, ich habe in zwei Wochen das Großevent, wir müssen jetzt bitte Mentaltraining machen.“ Und sie: „In zwei Wochen ist das jetzt ein bisschen schwer.“ (lacht) Es gibt Sachen, die man kurz vorm Großevent macht, wo man sich speziell auf das Event vorbereitet. Aber der große Part ist auf jeden Fall die Regelmäßigkeit. Und ganz wichtig ist auch, dass man aus den kleinen Wettkämpfen am meisten lernt, damit bei den großen Wettkämpfen das Konzept perfekt passt und steht.

Hast du bestimmte Routinen, die dich bei Wettkämpfen runterkommen lassen oder dich beruhigen?

Ich bezeichne das immer als eine Art Drehbuch. Das beginnt bei mir am Abend vor dem Wettkampf und besteht aus einzelnen Sachen, die bis zu meinem Start durchlaufen. Und dadurch gibt es die Situation nicht, dass mir fad wird oder dass ich in Stress komme. Da ist alles durchgeplant. Es gibt verschiedene Techniken, damit ich, wenn der Wettkampf stattfindet, das zur Verfügung habe, was ich brauche und was mich in den richtigen Modus bringen kann.

Du schaffst es immer wieder bei Großereignissen deine beste Leistung zu zeigen. Wie machst du das?

Ich denke mir, dass es die falsche Herangehensweise ist, dass man sich im Wettkampf vorstellt, dass es ein Training ist. Denn es ist kein Training, es geht jetzt um etwas, man ist in einem anderen Schwimmbad und nicht zu Hause. Nicht die Angst vor dem Verlieren im Kopf zu haben, sondern die Freude aufs Gewinnen. Das ist auch bei mir so. Bei jedem Rennen sehe ich mich vorher als Gewinner und schon am Podest stehen. Was rauskommt, sieht man dann eh. Aber das ist einfach das, was ganz wichtig ist – die Freude am Gewinnen statt der Angst vorm Verlieren.

Nachdem du erzählt hast, dass du an besondere Momente zurückdenkst und reflektierst: Welche Momente bleiben dir im Kopf hängen?

Das Rundherum und nicht Szenen aus dem Wettkampf. Wenn man es grob ausdrückt, sind die Sachen rund um den Wettkampf die schönen, und die Zeit im Wettkampf ist das Schirche. Weil man das Gefühl hat, der Körper explodiert, man kommt eigentlich gar keinen Meter mehr weiter. Man geht komplett über seine Grenzen, wenn es darauf ankommt. Das ist nicht angenehm, man fühlt sich schlecht. Aber das Rundherum ist wunderschön, sowohl davor als auch danach, es zahlt sich richtig aus, und das bleibt noch mehr hängen.

Andreas Ernhofer ist Para-Schwimmer. Der Niederösterreicher brach sich mit 17 Jahren drei Halswirbel und sitzt seitdem im Rollstuhl. Durch seine Therapie kam Ernhofer zum Schwimmsport, zuvor spielte er Rollstuhl-Rugby. Mittlerweile ist er Para-Sportler des Heeressportzentrums des österreichischen Bundesheers. Ernhofer studiert an der TU Wien Medizinische Informatik und ist Sachbearbeiter für Öffentlichkeitsarbeit bei der Freiwilligen Feuerwehr Deutsch-Wagram.

- Finaleinzug über 50 m Brust bei den Paralympics 2021 in Tokio
- 2 x EM-Bronze über 50 m Brust (2021 in Madeira und 2018 in
Dublin)
- Seit 2018 unter den Top-10 Para-Schwimmern in der Weltrangliste

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