Paragliding: Fliegende Träume

Zwei Personen sitzen in einem Gleitschirm und lachen in die Kamera. Sie fliegen über ein bewaldetes Tal in beeindruckender Höhe. Sie haben beide einen blauen Helm auf und eine grüne Jacke an.
Mit Wheels4flying können auch Menschen mit mit Behinderung oder Mobilitätseinschränkungen über den bergen schweben. © Wheels4flying

Dass die Freiheit über den Wolken wohl grenzenlos sein muss, wissen wir spätestens seit Reinhard Meys berühmtem Schlager aus den 70er-Jahren. Der Verein wheels4flying ist seit 2022 Mitglied beim ÖBSV und hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen mit Behinderung oder Mobilitätseinschränkungen ihren Traum vom Gleitschirmflug zu erfüllen.

Aus dem ÖBSV-Jahresbericht 2023

Zurück in die Luft

„Der Flugsport war für mich schon immer wichtig. Egal ob Paragleiten oder Fallschirmspringen“, erzählt der Tiroler Mario Graus über seine große Leidenschaft. Eine Leidenschaft, die sein Leben entscheidend verändert hat: „Leider hatte ich beim Drachenfliegen meinen Unfall.“ Seitdem ist Graus im Rollstuhl unterwegs. An eine Rückkehr in den Gleitschirm war für den Tiroler nach seinem Unfall lange nicht zu denken. Ganz erlöschen wollte die Flamme aber nicht: „Im Hinterkopf habe ich immer wieder an dieses spezielle Gefühl in der Luft gedacht. Und ich wollte mir selber beweisen, dass ich es noch kann. Wenn man im Rolli sitzt, hat man immer diese Hürden: ‚Das geht nicht, jenes geht nicht.‘ Die Entscheidung, ob ich fliege oder nicht, sollte am Ende mir überlassen sein.“

Durch einen Zufall erfuhr Graus von wheels4flying im Tiroler Zillertal. Unter dem Motto „Lass deine Träume fliegen“ bietet der gemeinnützige Verein Tandemsprünge für Menschen mit Behinderung an. Initiator des Vereins ist Lucio Pelz, er hat den Verein 2021 aus der Taufe gehoben.

2022 stieß Graus durch einen Zufall auf wheels4flying und zögerte nicht lange. „Ich habe Lucio kontaktiert. Er hat gesagt: ‚Komm vorbei, wir fliegen Tandem‘, und ein paar Tage später bin ich hin.“ Und der Tiroler war sofort wieder in seinem Element: „Lucio ist ein erfahrener Pilot mit einer charismatischen Ausstrahlung. Ich habe überhaupt keine Angst gehabt und ihm sofort vertraut. Es hat sich toll angefühlt, wieder in der Luft zu sein“, beschreibt Graus seine Rückkehr. Er war gleich zu mehr bereit: „Als wir gelandet sind, hat mich Lucio unmittelbar gefragt, wann ich alleine fliegen will. ‚Jederzeit‘, habe ich geantwortet.“

Mario Graus und Lucio Pelz genießen den Flig © Wheels4flying
Vor dem Abflug © Wheels4flying

Ein bekanntes Gefühl

Ein paar Tage später ist es so weit: Mario Graus wagt sich das erste Mal nach seinem Unfall allein in die Luft. Er hat schon vor seinem Unfall einen Paraschirm-Flugschein besessen und benötigt also keine zusätzliche Ausbildung oder Prüfung. Mit einer Gondel geht es auf den Penken, einen 2095 Meter hohen Berg in den Tuxer Alpen. Dort findet er einen geeigneten Startplatz vor. Die Wiese, von der die Athletinnen und Athleten starten, ist verhältnismäßig flach. Unterstützung bei seinem Premierenflug erhält er von Lucio Pelz. Der wheels4flying-Visonär legt den Schirm flach hinter Graus auf. Der Pilot nimmt Leinen und Bremsen fest in die Hand. Die Sonne scheint, nur vereinzelte Wolken lugen zwischen den Bergspitzen hervor. Graus ist startklar. Er gibt ein Kommando. Pelz schiebt den Rollstuhl gegen den Wind. Der Schirm füllt sich mit Luft und kommt über ihm zum Stehen. Jetzt heißt es anschieben, was geht. Bis sich die Räder von der Erde lösen.

„Du verlierst sprichwörtlich den Boden unter den Füßen. Du hebst ab“, beschreibt Graus das bekannte, aber doch unheimliche Gefühl. „Am Anfang war es mental brutal schwierig, allein in der Luft zu sein. Da kommen viele Emotionen hoch, von meinem Unfall und so weiter. Denen habe ich mich gestellt.“ Verlernt hat der Tiroler nichts: „In der Luft ist es zuerst sehr ruhig. Wenn Thermik, das heißt Winde oder Wolken, ins Spiel kommen, kann es schon turbulent werden. Da muss man Vertrauen in sich und sein Können haben. Wenn du dann steigst, fühlt es sich richtig gut an. Du schwebst über den Berggipfeln und kannst die Landschaft richtig genießen. Das gefällt mir am besten.“

Über den Gipfeln Kolumbiens

Über 30 Flüge hat Mario Graus mittlerweile absolviert. Im Jänner wird er gemeinsam mit Lucio Pelz nach Südamerika reisen. Der wheels4flying-Gründer hat schon eine neue Vision: eine eigene WM für Paragleiter im Rollstuhl. „Die Weltmeisterschaft in Kolumbien war ursprünglich als Meeting Gleichgesinnter geplant. Aber Lucio hat das gleich weitergedacht. In den ersten sechs Tagen erkunden wir fliegend die Gegend und verbessern unsere Technik“, erklärt Graus den Ablauf der Bewerbe. „In den vier Tagen danach treten wir mehrmals gegeneinander an. Es ist ein bisschen wie beim Segeln. Alle Aktiven haben ein GPS-Gerät mit, in dem die Strecke, die Wendepunkte und das Ziel eingespeichert sind. Das wird nach dem Flug ausgelesen. Wer am Ende am schnellsten war und die wenigsten Fehler hat, gewinnt.“

Geflogen wird immer in Zweierteams, mit und ohne Behinderung. Per Funk ist das Duo miteinander verbunden. „Wenn wir Rollifahrer einen Fehler machen und das Ziel verpassen, landen wir womöglich in irgendeiner Wiese. Allein können wir nicht aussteigen, deshalb brauchen wir eine zweite Person“, erklärt Graus. Er wird mit Guide Lucio Pelz ins Rennen gehen.

Auf dem Weg nach Kolumbien © Wheels4flying
© Wheels4flying

Ein Abenteuer für alle

wheels4flying hat Mario Graus den Weg zurück in seine sportliche Heimat geebnet. Die Freiheit, zwischen Berggipfeln und Wolken zu schweben, ist der Traum vieler. Mit seinem speziellen Fluggerät ermöglicht es der Verein Menschen mit verschiedensten Behinderungen, dieses Gefühl bei einem Tandemflug zu erleben: „Heuer hat wheels4flying Flüge für über 20 Personen mit teils schweren Bewegungseinschränkungen organisiert. Die Pilotinnen und Piloten kümmern sich um alles. Man wird festgeschnallt und muss selber nichts machen“, so Graus. Er erzählt abschließend: „Eine Freundin, die ebenfalls im Rollstuhl sitzt, wollte unbedingt einmal mit einem Paragleiter fliegen. Lucio hat sie mitgenommen, ich habe im Ziel auf sie gewartet. Sie war einfach glücklich. Dass wheels4flying ihr einen Lebenstraum erfüllt hat, ist schon etwas ganz Besonderes.“

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