Paralympics: “So einen Stress hatte ich noch nie.“

Natalija Eder nimmt Anlauf für den Speerwurf. Foto (c) ÖBSV/Maren Rössler

Natalija Eder steht vor ihren dritten Paralympischen Spielen. Im Interview verrät sie ihre Ziele für Tokio, warum es ihre bisher stressigsten Spiele werden und woher sie ihre Motivation für ihre lange Sportkarriere nimmt.

Der Countdown läuft: Einen Tag bevor Natalija Eder nach Tokio fliegt, hat sie sich noch Zeit für ein Interview genommen. In Tokio wird die sehbehinderte Athletin in den Bewerben Speerwurf und Kugelstoßen antreten.

ÖBSV: Hallo Natalija. Du absolvierst gerade dein letztes Training in Österreich vor den Paralympics. Weißt du schon, wie die Trainingsbedingungen in Tokio sein werden?

Eder: Wir werden erst sehen, wo und was wir dort trainieren können. Da weiß ich noch nicht viel. Es wird bestimmte Zeiten geben, wann wir im Stadion trainieren und wann wir uns das Wettkampfstadion anschauen dürfen. Den genauen Plan bekommen wir dann in Tokio.

Wie ist der Ablauf vor Ort – ihr müsst euch ja in eurer Bubble bewegen und werdet immer getestet. Wie sieht dein Tag in Tokio dann aus?

Wir dürfen nur im Olympischen Dorf und auf dem Trainingsplatz sein. Das wars. Nach der langen Flugzeit brauche ich zuerst mal Zeit zum Regenerieren. Dann werde ich im Dorf ein bisschen Laufen gehen mit meinem Betreuer und trainieren gehen. Das ist aber kein Problem, Sightseeing oder so was interessiert mich vor dem Wettkampf eh nicht. Wenn ich in der Vorbereitung bin, dann ist mein Kopf nur beim Wettkampf. Und leider habe ich das Pech, dass mein letzter Wettkampf am Ende der Spiele ist. Ich fliege einen Tag danach wieder zurück.

Eder gewann bereites zwei Bronzemedaillen bei Paralympischen Spielen - so wie hier in Rio de Janeiro 2016. Foto (c) GEPA pictures/ Ch. Kelemen

Es sind jetzt schon deine dritten Paralympics nach London und Rio. Dieses Mal ist es wohl noch ein bisschen spezieller, nachdem die Spiele Corona-bedingt um ein Jahr verschoben worden sind. Wie war es für dich, ein Jahr länger Zeit zu haben?

Als Kaderathlet:innen haben wir weiter trainieren können. So gesehen haben wir einerseits ein Jahr mehr zum Vorbereiten gehabt. Aber wir planen unsere Vorbereitung für die Paralympics alle vier Jahre und dann wird es um ein Jahr verschoben – es ist dann ein bisschen schwer die Motivation hochzuhalten. Das ist eine mentale Belastung. Und auch vor Ort mit dem Testen ist es eine Belastung, vor allem für blinde und sehbehinderte Sportler:innen, weil wir jemanden brauchen, der uns dabei unterstützt. Da kann ich mich dann schwer auf meinen Wettkampf konzentrieren. So einen Stress vor den Spielen hatte ich noch nie.

Wie ist die Situation für dich, dass kaum Zuschauer:innen bei den Wettkämpfen dabei sein werden?

Für mich und die blinden Athlet:innen ist es vielleicht sogar ein kleiner Vorteil. Durch den Lärm verlierst du das Gleichgewicht, es ist eine Stresssituation. Ich hoffe, dass wird besser für mich. Ich sehe diese Situation positiv.

In Tokio startet Eder auch im Kugelstoßen. Foto (c) ÖBSV/Maren Rössler

Du startest im Speerwurf und Kugelstoßen. Im Speerwurf hast du schon zweimal Bronze bei Paralympics gewonnen. Welche Erwartungen hast du im Kugelstoßen?

Ich würde froh sein, wenn ich unter die ersten Acht komme. Aber beim Kugelstoßen geht es nicht um die Platzierung, sondern um die Weite, ich will mich steigern.

Bei der Para-Leichtathletik-EM im Juni hast du ebenfalls Bronze im Speerwurf geholt. Bei den Staatsmeisterschaften vor wenigen Wochen hast du gewonnen. Bist du mit der diesjährigen Saison bisher zufrieden?

Noch nicht (lacht). Jetzt kommt noch der große Abschluss der Saison und nach den Paralympischen Spielen kann ich dir das sagen. Die Form stimmt jedenfalls. Aber die Spiele haben eigene Gesetze, das kann gut gehen, das kann aber auch ziemlich schnell in die Hose gehen. Das kann man nicht wissen.

Mit welchem Ergebnis bist du bei den Paralympics zufrieden?

Wenn die Weite stimmt und die Platzierung passt, dann ist ein Athlet bzw. eine Athletin zufrieden. Aber es muss die Weite passen. Oft ist es so, dass du eine super Weite wirfst, aber dann bist du Vierter oder Fünfter, dann musst du trotzdem zufrieden sein, denn die Form passt ja, aber die anderen waren stärker. Ich weiß, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Ich möchte weit werfen und dann sehe ich, was rauskommt. Ich wäre froh, wenn es für eine Medaille reicht. Aber es wird von Jahr zu Jahr schwieriger, die Konkurrenz schläft nicht. Aber ich denke positiv, also wir werden sehen.

Zuletzt holte sich Eder den Titel bei den Staatsmeisterschaften in Villach, als nächstes soll es in Tokio eine Medaille geben. Foto (c) ÖBSV/Maren Rössler

Du hast schon als Kind mit dem Leichtathletik-Sport begonnen und bist jetzt mit 41 Jahren bei deinen dritten Paralympischen Spielen. Wie hast du es geschafft, so lange dabei zu sein und auch so lange zur Weltspitze zu gehören?

Ich bewundere mich selbst (lacht). Ganz wichtig ist, mit wem man trainiert und welche Atmosphäre beim Training herrscht. Ich trainiere teilweise in der Südstadt und dort gibt es eine junge Truppe und das motiviert mich sehr. Und meine Trainerin behandelt mich genau gleich wie alle anderen Athlet:innen und das motiviert mich auch.

Aufgrund der Verschiebung der Paralympics sind in drei Jahren schon die nächsten Spiele in Paris. Willst du dort auch wieder dabei sein?

Ja, ich möchte dabei sein. Das weiß ich sicher, aber lassen wir uns überraschen. Nach jetzigem Stand meiner Gesundheit kann ich sagen, dass ich das möchte.

Das Programm aller ÖBSV-Sportler:innen bei den Paralympics in Tokio

Erstellt von Sebastian Reiter

Das könnte dich auch interessieren

Alle Berichte anzeigen

Menschen mit Behinderungen besser sichtbar machen

Bericht lesen

Behindertensportwoche 2019 - Sport, Bewegung und Spaß für Jugendliche und Erwachsene

Bericht lesen