Verband: Klassifizieren aus Leidenschaft

Birgit Offterdinger sitzt auf einem Fahrrad und lacht in die Kamera. Sie hat kurze blonde Haare, ein blaues Shirt und eine grüne Hose an.
Zurecht gut gelaunt: Birgit Offterdinger bei der ÖBSV Ausbildung-Sportwoche in Schielleiten 2024. © ÖBSV Baubinder

Birgit Offterdinger hat es geschafft: Sie ist Österreichs erste offizielle internationale WPA-Klassifiziererin in der Leichtathletik. Sie wird in Zukunft auf der ganzen Welt Sportlerinnen und Sportler mit Behinderung klassifizieren und damit einen wichtigen Beitrag zu fairen und ausgeglichenen Wettkämpfen leisten.

Ein langer Weg

„Anstrengend“, so beschreibt Birgit Offterdinger lachend, die Zeit ihrer Ausbildung zur World Para Athletics-Klassifiziererin in der Leichtathletik. Knapp acht Monate voller intensiver Kurse, zahlreicher Prüfungen und einer Reise nach Marokko liegen hinter ihr. „Die Andrea (Scherney, Sportdirektorin des ÖBSV, Anm. d. Red.) hat uns auf die Ausschreibung hingewiesen. Ich habe mich beworben, ohne große Hoffnung, weit zu kommen. Es gab eine schriftliche Bewerbung, eine mündliche mit Video, und das hat tatsächlich geklappt“, beschreibt sie den Aufnahmeprozess.

Die Klassifizierung im Behindertensport ist ein System, das entwickelt wurde, um Chancengleichheit unter den Athletinnen und Athleten mit unterschiedlichen Behinderungen zu gewährleisten. Es ermöglicht fairen Wettbewerb, indem es die Sportlerinnen und Sportler entsprechend ihrer funktionellen Fähigkeiten in verschiedene Klassen einteilt. Diese Klassifizierung berücksichtigt die Art und das Ausmaß der Behinderung und stellt sicher, dass Aktive mit ähnlichen Behinderungen gegeneinander antreten.

Beim Seminar in Marrakesch © Privat
Stadionbesuch in Marrakesch: Teamwork makes the dream work © Privat

Weltweites Teamwork

„Die Ausbildung startet mit der Vermittlung von Basiswissen, der Geschichte, wie wir heute klassifizieren und warum wir das überhaupt machen“, erzählt Birgit Offterdinger und führt aus: „Im ersten halben Jahr hatten wir sehr viele Online-Trainings mit dazugehörigen Abschlussprüfungen, was mit sehr viel Lernaufwand verbunden war. Wir hatten viele Seminare, bei denen es vermehrt ums Beobachten ging, mit vielen Beispielen. Gerade in der Leichtathletik gibt es wahnsinnig viele Klassen, dementsprechend ausführlich und dick ist das Regelbuch, das wir kennen müssen.“

Nach und nach besteht die Auszubildende eine Prüfung nach der anderen und qualifiziert sich damit für das Highlight und den krönenden Abschluss der Ausbildung: Beim Leichtathletik Grand Prix in Marrakesch hatte die Azubi-Gruppe 10 Tage lang die Möglichkeit, mit erfahrenen Klassifizierinnen und Klassifizierern zu arbeiten und praktisch zu üben: „Das Faszinierendste an der Ausbildung war, dass dieselben Regeln überall auf der Welt gelten. Ob du mit jemandem aus Neuseeland oder sonst wo redest, diese gemeinsamen Entscheidungen im Team verbinden enorm. Die Zusammenarbeit von Menschen aus allen Herren Ländern, alle mit ungefähr demselben Wissensstand, ist beeindruckend.“

Offterdinger besteht souverän und erhält ihr Zertifikat. Als erste heimische Person überhaupt darf sie bei internationalen Leichtathletik-Wettkämpfen klassifizieren. An spannenden Aufgaben wird es nicht mangeln. Doch was ist die schwierigste Aufgabe beim Klassifizieren? „Wenn eine Athletin bzw. ein Athlet zwei verschiedene Behinderungen hat, die beide klassifizierbar sind. Dann müssen wir entscheiden, was den größten Einfluss auf die Sportausübung hat. Da ist es gut, dass man ein Team um sich hat, das gemeinsam entscheidet.“

Wohin geht die Reise?

Das Thema „Klassifizierung“ begleitet Birgit Offterdinger schon viele Jahre, wie sie erzählt: „Ich kenne den Heinz Zwerina (Verbandsarzt des ÖBSV, Anm. d. Red.) schon sehr lange. Ich habe ihn im Rahmen meiner Physiotherapie kennengelernt, da hat er eine Vorlesung gehalten. Als Physio kommt man um das Thema Klassifizierung gar nicht herum. Ich habe nach meinem Diplom bei der Bettina Mössenböck meine ersten Ski-Kurse mitgemacht, war bei der Para-Leichtathletik-EM 2003 in Assen, Niederlande, dabei, habe ganz frech gefragt, ob ich zuschauen kann.“

Nach und nach vertieft sie sich in die Thematik: „Ich habe in den vergangenen Jahren in Österreich meistens im Schatten von Heinz Zwerina klassifiziert. Bei Boccia, beim Skifahren, obwohl ich da eher begleitend mit meiner Expertise als Physio ausgeholfen habe, und später eben auch bei der Leichtathletik. Ich habe viele Seminare besucht und später auch gehalten.“

Eines ist sicher, das Thema wird Offterdinger früher oder später um die ganze Welt führen: „Bis jetzt habe ich eine internationale Ausbildung im Boccia in Portugal gemacht und war im April beim Grand Prix in Marrakesch. Also noch nicht so viele Reisen. Aber ich freue mich schon extrem darauf. Es gibt eine Liste mit Events, auf der man sich eintragen kann. Dann entscheiden andere. Da habe ich nicht viel Einfluss. Aber mir ist es erstmal egal, wohin es geht.“

Lernen und diskutieren © Privat
Das Objekt der Begierde © Privat
Die Azubi-Gruppe in Marrakesch © Privat

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